GUTE NACHRICHTEN FÜR DEN INN

Jahrzehntelang mündete der Wuhrbach als bloßes Rinnsal in den Inn. Grund war die

Schreibermühle, für deren Betrieb der Hauptteil des Wassers aus dem Bach abgezweigt

wurde. Mit dem Ende der dortigen Wasserkraftnutzung erreicht nun wieder das

gesamte Bachwasser den Inn. Und das ist nicht nur für den kleinen Wuhrbach eine

gute Nachricht.

Ein großer Fluss wie der Inn steht nicht für sich allein, sagt Alexander Weber vom

Kreisfischereiverein Wasserburg - Verein für Gewässer und Artenschutz. Ursprünglich

müsse man sich unsere Fließgewässer wie ein riesiges, dichtes Netz vorstellen. Der

kleinste Wiesenbach sei über viele Abzweigungen mit dem großen Inn verbunden

gewesen. Die Flusslebewesen, vor allem die Fische, hätten sich über

Jahrhunderttausende an diese Vernetzung angepasst, bis der Mensch begonnen habe,

die Gewässer zu nutzen und damit zu zerstückeln.

Intakte Nebengewässer sind für Flussfische absolut notwendig, ergänzt Webers Kollege

Urs Steinmüller, einerseits, um sich fortzupflanzen, andererseits als Rückzugsräume bei

Hochwasser. Doch meistens sähen die Nebenbäche aus wie der Wuhrbach vor Kurzem:

über Abstürze tröpfelnde Rinnsale, für Fische unmöglich zu passieren.

Deshalb hat der Kreisfischereiverein nicht gezögert, die sich bietende Chance zu

nutzen. Wir hatten jetzt zwar mehr Wasser, erklärt Weber, der das

Revitalisierungsprojekt am Wuhrbach leitet, aber das allein reiche noch nicht. Zuerst sei

es darum gegangen, das Bachbett vom über die Jahre angefallenen Müll zu befreien.

Anschließend musste vor allem der nach wie vor bestehende Absturz umgestaltet

werden, um ihn auch für weniger schwimmstarke Fischarten durchwanderbar zu

machen.

Solche Schwellen quer durch das Bachbett, über die das Wasser ungehindert

hinwegschießt, sind gerade für kleinere Fische kaum zu überwinden, sagt Steinmüller.

Abhilfe schüfen da gezielt von Hand eingebrachte, größere Gesteinsbrocken, an denen

sich die Strömung breche und in deren Deckung diese Fische bei ihrem Aufstieg immer

wieder Schutz vor dem dahinschießenden Wasser suchen könnten.

Was nun noch fehlte, war lockerer, sauberer Kies, fügt Weber hinzu. Der sei aus zwei

Gründen von entscheidender Bedeutung: erstens seien die Lücken zwischen den

Kieseln Lebensraum für Eintagsfliegenlarven, Bachflohkrebse oder Steinfliegenlarven,

die ihrerseits wieder die Nahrungsgrundlage für die Fische bildeten. Zweitens

entwickelten sich die Eier und Larven vieler Flussfische in genau diesen Lücken.

Normalerweise würde jeder Bach und jeder Fluss diesen Kies von oben nach unten

mittransportieren, aber Wehre und Kraftwerke verhinderten das.

Sie halten den Kies auf und lassen nur den feinen Sand durch, stellt der Projektleiter

fest. Und der verstopfe die Lücken zwischen den noch vorhandenen Kieseln. Mit der

Zeit werde das Flussbett dadurch hart wie Beton. Lockerer Kies sei deshalb heute in

eigentlich allen Fließgewässern Mangelware.

Da lebt dann nichts mehr – und da kann auch kein Fisch seine Eier ablegen, sagt

Steinmüller. Daher habe man zuerst das Bachbett in mühevoller Handarbeit mit

Schaufel und Grabegabel aufgelockert, um dann zusätzlich drei Kubikmeter frischen

Kies in passender Größe einzubringen.

Vier Monate später hat sich die Wuhrbachmündung verändert: Die Strömung hat den

Kies Richtung Inn getragen und eine kleine Kiesbank geschaffen – perfekte

Fortpflanzungsbedingungen für die im Inn stark gefährdete Äsche. Erste größere

Steinblöcke brechen die Strömung und erlauben es auch kleineren Fischen, in ihrem

Schatten den Bach nach oben zu wandern.

Auch wenn wir erneuerbare Energien dringend brauchen, hat alles seinen Preis, erklärt

Weber. Die vielfältige Regulierung unserer Bäche und Flüsse bedeute leider massive

Eingriffe in diese Ökosysteme, die im Besonderen viele Fischarten vor existentielle

Probleme stellen. Innerhalb kürzester Zeit seien hier Lebensräume grundlegend

verändert worden, die sich über viele Jahrhunderttausende entwickelt hätten. Gerade

Projekte wie hier am Wuhrbach könnten angesichts dessen einen großen positiven

Effekt entwickeln.

Auch wenn sich viel getan hat, das Projekt Wuhrbach ist noch nicht zu Ende. Wir wollen

auf jeden Fall noch dafür sorgen, dass der Bach auch im Winter, wenn der Inn

besonders wenig Wasser führt, für die Fische erreichbar bleibt, sagt Seinmüller. Dafür

werde man den nach wie vor vorhandenen Absturz im Bachbett schrittweise und ohne

Maschineneinsatz weiter umgestalten, um die Passierbarkeit für die Fische nochmals

verbessern.

Und wir suchen Sponsoren für frischen Kies, ergänzt Weber, denn das Problem des

fehlenden natürlichen Nachschubs bleibe bestehen. Kostenpunkt für drei Kubikmeter

Kies mit Anlieferung seien jährlich 160 Euro. Interessenten könnten sich jederzeit über

die Homepage des Vereins für Gewässer und Artenschutz Wasserburg melden.

Auch wenn noch einiges zu tun bleibt – aus einem spärlichen Rinnsal ist wieder ein

weitgehend intakter Bachmündungsbereich geworden. Das sind gute Nachrichten für

den kleinen Wuhrbach – aber vor allem auch für den großen Inn.